Zukunft
Windräder eno energy GmbH

Sonne, Wind, Wasserstoff

Neue Energie aus Mecklenburg-Vorpommern

Frischer Wind von der Ostsee, die meisten Sonnenstunden Deutschlands und jede Menge Freiraum für Ideen und Investitionen – Mecklenburg-Vorpommerns Standortvorteile im Bereich der erneuerbaren Energien sind ganz natürlich. Hier drehen sich Windräder aus eigener Produktion, Häuser erzeugen ihren Strom selbst, und Energie wird in Wasserstoff gespeichert. Drei Beispiele innovativer Unternehmen, die die Zukunft weisen.

Text von Dörte Rahming

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Auf dem Hof von Steffen Huber steht ein Carport und produziert Strom – mit Solarzellen auf dem Dach. Die Energie reicht ein ganzes Jahr lang für ein komplettes Einfamilienhaus. Der Dachdeckermeister in Neustadt-Glewe hat es zusammen mit einem Industriepartner entwickelt. „Vor etwa zwölf Jahren fing es an, dass Solarstromanlagen auf Dächern installiert wurden, die wir gerade erst gedeckt hatten“, erzählt er. „Das hat mich gestört, und ich habe mir gedacht, das können wir besser.“ Er bildete sich weiter, konnte dann Dächer samt Solaranlage aus einer Hand anbieten – gemeinsam mit einem Elektromeister aus seinem eigenen Team. Fast zeitgleich kam ein Angebot von der Handwerkskammer Schwerin, eine Weiterbildung zum staatlich geprüften und zertifizierten Gebäude-Energieberater zu absolvieren.

Steffen Huber

Hat die Tragweite des Themas Energie früh erkannt: Steffen Huber (Bild: Andreas Duerst, STUDIO 301)

Zwei Jahre und mehrere Hundert Unterrichtsstunden später hatte Huber seinen Abschluss in der Tasche. Ihm war klar: „Dachdeckerei allein wird nicht die Zukunft sein. Wir werden uns auch mit energetischer Beratung und Sanierung beschäftigen müssen, mit Solarstrom und Batteriespeichern. Und je kompetenter wir beraten können, desto besser für unsere Kunden.“ Der Handwerksmeister ging noch einen Schritt weiter: Inzwischen ist er auch TÜV-Gutachter für Photovoltaikanlagen. „Die Kunden kommen oft mit Vorstellungen zur energetischen Sanierung in Kombination mit Förderprogrammen – wir können sie zu allen Details beraten.“ Dazu nutzt er auch eine 3-D-Simulation auf dem riesigen Smartboard in der neuen Halle.

Nachhaltigkeit spielt für viele eine immer größere Rolle.

Steffen Huber

Huber hat die Tragweite des Themas Energie früh erkannt. „Vor zehn Jahren wurde ich dafür vielleicht noch manchmal belächelt“, sagt er. „Aber heute ist es wohl jedem klar.“ Die großen Themen Energie, Umweltverträglichkeit, Nachhaltigkeit sind dem 39-Jährigen absolut wichtig. „Zum einen: Ich habe zwei Kinder, und ich möchte, dass sie eine vernünftige Zukunft haben. Und zum anderen steckt einfach Herzblut drin: Ich wollte schon immer viele verschiedene Dinge vereinen. In meiner Arbeit ist alles dabei, was mir Spaß macht.“

Smartboard,  3-D-Simulation

Beratung mittels 3-D-Simulation: das Smartboard von Steffen Huber.  (Bild: Steffen Huber)

Carport mit Solarzellen, kompletten

Energie für ein ganzes Jahr für ein komplettes Einfamilienhaus: Carport mit Solarzellen (links im Bild) auf dem Hof von Steffen Huber. (Bild: Steffen Huber)

Heute begleitet er einen Neubau schon ab der Rohbauphase – bis hin zur energetischen Wärmedämmung. „Dabei sind ökologische Dämmstoffe wie Holz, Hanf oder recycelte Kunststoffe inzwischen massentauglich geworden.“ Beispiel Polyurethan: Das Material mit sehr hohem Dämmwert gibt es jetzt aus nachwachsenden Rohstoffen. „Früher nur Chemie, jetzt nur Biomasse“, sagt der Experte. Er weiß: Zwar seien solche Stoffe zunächst teurer als herkömmliche, aber je häufiger sie verwendet werden, desto mehr glichen sich die Preise an.

In der Photovoltaik spielen derzeit neuartige Batterietechnologien, Ladeinfrastruktur für Autos und die Vernetzung über das SmartHome-System die größte Rolle. „Gefühlt gibt es jeden Tag etwas Neues, deshalb haben wir auch eine sehr hohe Weiterbildungsquote.“ 

Die Dachdeckerei Huber ist ein klassisches Familienunternehmen: Auch die Eltern, Steffens Bruder und seine Frau arbeiten mit. Der Senior gründete es vor ziemlich genau 20 Jahren, inzwischen hat das Team 20 Leute, darunter – neben den Dachdeckern – auch Metallbauer, Zimmerleute, Elektriker und Gas-Wasser-Installateure. Die Lage in Neustadt-Glewe, also nahe an der Autobahn, ist ideal. Denn Huber hat Kunden bis Hamburg, Wismar und Rostock, bis Plau und Pritzwalk. „Der Beratungsbedarf ist groß, die Nachhaltigkeit spielt für viele eine immer größere Rolle.“

Windmühlen made in MV

Video Jacqueline Wünsch

Seit 20 Jahren bei eno energy: Jacqueline Wünsch, Prokuristin und verantwortlich für die Projektentwicklung in Norddeutschland (Bild: Andreas Duerst, STUDIO 301)

Direkt auf dem Firmengelände von Steffen Huber gibt es einen Servicestützpunkt der eno energy GmbH. Von hier starten die Monteure zu Baustellen in ganz Deutschland. Sie errichten Windkraftanlagen, die das Unternehmen selbst entwickelt. Hauptsitze sind in Rostock und im Ostseebad Rerik, es gibt Niederlassungen in Dresden, Paris und Helsingborg. Seit 20 Jahren dabei: Jacqueline Wünsch. Sie ist als Prokuristin verantwortlich für die Projektentwicklung in ganz Norddeutschland – eine komplexe Aufgabe: Es geht um Grundstücke, Artenschutz, Genehmigungen. Denn die Projekte müssen wirtschaftlich, sollen aber auch umweltverträglich sein. „Wir beachten, welche Auswirkungen die Anlagen auf Schall, Schatten oder andere Emissionen haben. Und wir schauen auch, was wir Gemeinden und Bürgern bieten können.“

Eine Kombination aus Natur und Technik, das liegt mir.

Jacqueline Wünsch

Begonnen hat die Mecklenburgerin ihre Laufbahn als umweltschutztechnische Assistentin. „Eine Kombination aus Natur und Technik, das liegt mir“, erzählt die 41-Jährige. Sie arbeitet meist in Rerik, kommt aber auch immer wieder nach Rostock. „Man stimmt sich zum Beispiel mit den Kollegen aus der Konstruktion ab“, sagt die studierte Wirtschaftsingenieurin. „Wir betreuen Projekte für Kunden, aber auch für uns selbst. In den Projekten kommt die Technik aus dem eigenen Haus zum Einsatz.“ Denn das Unternehmen konstruiert Windkraftanlagen nicht nur, sondern fertigt sie auch selbst. In Rerik werden die Schaltschränke für die Anlagen gebaut, bei Rostock stehen die großen Produktionshallen.

eno energy,  Rostock

Konstruiert und fertigt Windkraftanlagen: eno energy GmbH mit Standorten in Rerik und Rostock. (Bild: eno energy GmbH)

Produktionshalle, Rostock

eno energy: Produktionshalle am Standort Rostock (Bild: eno energy GmbH)

Eno energy ist etwas Besonderes: Es ist das einzige inhabergeführte Unternehmen der Branche in ganz Europa, zumindest in der Multi-Megawatt-Klasse, und auch das einzige, mit dem Geld verdient werde, sagt Karsten Porm. Der Maschinenbauingenieur, Jahrgang 1967, hatte schon etliche Jahre in der Windkraftbranche gearbeitet, ehe er die Firma 1999 – gemeinsam mit zwei Kollegen – gründete. „Der Erste, den wir eingestellt haben, war jemand mit Erfahrung bei Planung von Windparks“, erinnert er sich. Inzwischen beschäftigt er etwa 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und erwirtschaftet ungefähr 100 Millionen Euro Umsatz pro Jahr – „das passt zum Standard in unserer Branche“, so der Chef. Eno energy betreut Projekte unter anderem in Deutschland, Frankreich und Schweden, liefert aber auch Windkraftanlagen in weitere Länder.

Über die Jahre würden die Rahmenbedingungen für seine Branche immer schwieriger: „Die Vorarbeit für eine Windkraftanlage dauert mittlerweile fünf bis acht Jahre, früher war es viel weniger“, meint der Unternehmer. „Aber hier in Mecklenburg-Vorpommern unterstützt uns die Politik, wo sie kann – das hilft einheimischen Firmen. Das Energieministerium ist extrem aktiv unterwegs, um die Windenergie zu befördern.“ Er möchte, dass sein Unternehmen nicht nur als Projektentwickler wahrgenommen wird, sondern auch als Hersteller. 2008 stand die erste eigene Windkraftanlage, nun wurde gerade Nummer 150 ausgeliefert – made in MV.

Die Wasserstoffprojektierer

Video Mathias Hehmann

Geschäftsführer und Gründer von Apex, Mathias Hehmann, über die Bedeutung des Wasserstoffs.
(Bild: APEX Energy Teterow GmbH)

Die Zukunft ist gut gesichert: Wer zur Firma Apex nach Laage kommt, wird durch viele Tore und Türen begleitet. Seit zwei Jahren arbeitet das Unternehmen hier an Lösungen, Energie aus Ökostrom in Wasserstoff zu speichern und erst bei Bedarf in Strom oder Wärme umzuwandeln. Herzstück ist die Elektrolyse, mit der Wasserstoff erzeugt wird. Auf dem Gelände steht das größte netzgekoppelte Wasserstoffkraftwerk Europas. Es versorgt den Standort mit emissionsfreier Energie, aber auch Busse und Lkws können betankt werden.

Peter Rößner

Peter Rößner, kaufmännische Leiter bei Apex: "Wir wollen Wasserstoffprojektierer werden, deutschlandweit und international.“ (Bild: Andreas Duerst, STUDIO 301)

Mathias Hehmann gründete die Firma Apex vor 20 Jahren in Teterow, baute Photovoltaikanlagen in ganz Europa. Seine drei Brüder arbeiten ebenfalls im Firmenverbund. Seit etlichen Jahren jedoch liegt der Fokus auf Wasserstoff und der Speicherung von grüner Energie. „Wir wollen Wasserstoffprojektierer werden, deutschlandweit und international“, sagt Peter Rößner, der kaufmännische Leiter. Für neun Projekte gibt es bereits Verträge – damit ist Apex führend in Deutschland. Klare Ausrichtung: grüne Unternehmen schaffen. „CO2-Neutralität steht erst mal ganz oben, aber wir denken auch schon an Klimaneutralität. Und unsere Kunden haben das gleiche Ziel.“ Oft sind es Gewerbeunternehmen, die sich die „grüne Produktion“ auf die Fahnen geschrieben haben, etwa Automobilzulieferer. „Einige haben die Vorgabe, dass die Produktion in absehbarer Zeit CO2-neutral sein muss – dafür investieren sie schon jetzt.“ Auch Tourismus und Landwirtschaft sind aufmerksam geworden.

Wir wollen Wasserstoffprojektierer werden, deutschlandweit und international.

Peter Rößner

Zunächst wird bei jedem Projekt der Grundbedarf an Energie festgestellt und die vorhandene Infrastruktur analysiert. „Dann geht es um die Denkrichtung des Kunden: Will er sich unabhängiger vom Energiemarkt machen? Oder will er seine CO2-Bilanz verbessern? Darauf basierend bauen wir unsere Anlage drum herum“, erläutert Rößner. „Wann bekommen wir an dem Standort Strom aus Sonne und Wind, oder wann gibt es grün erzeugten Strom am Markt günstig? So schaffen wir die effizienteste Lösung für den Kunden.“

Apex in Teterow

Mit Anbindung an den Flughafen Rostock-Laage: der Hauptstandort der Apex Gruppe. (Bild: APEX Energy Teterow GmbH)

Apex in Teterow

Seit zwei Jahren arbeitet Apex an Lösungen, Energie aus Ökostrom in Wasserstoff zu speichern und erst bei Bedarf in Strom oder Wärme umzuwandeln. (Bild: APEX Energy Teterow GmbH)

Das Ziel: 2050 soll Europa ein klimaneutraler Kontinent sein. In Laage wird also ganz unmittelbar an der nahen Zukunft gearbeitet. Und bald wird es auch wirtschaftlich. Bisher kosten Wärme und Strom aus Wasserstoff 10 bis 15 Prozent mehr als aus anderen Quellen. Doch nun wird die Ökoenergie von Umlagen befreit, damit günstiger und für neue Kundenkreise interessant. Und ganz nebenbei finden sich Abnehmer für die Nebenprodukte: Sauerstoff und Wärme. Beides können zum Beispiel große Fischzüchter gebrauchen.

Ende 2018 fand Apex nahe dem Flughafen Laage ein geeignetes Objekt, das jetzt zum Hauptstandort entwickelt wird. Derzeit arbeiten 35 Fachleute hier, darunter Elektroingenieure, Chemiker und Wirtschaftsingenieure. Das Unternehmen kooperiert mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Land. Ein Beispiel: Ein 1000-Liter-Tank enthält Wasserstoff, der unter Druck gespeichert wurde. Daraus können 3,3 Megawattstunden Energie zurückgewonnen werden – der Jahresbedarf einer dreiköpfigen Familie. Geforscht wird an einer Lösung, die die zehnfache Energiedichte speichern kann. Unterstützung kommt dabei vom Leibniz-Institut für Katalyse in Rostock. Die Fachhochschulen in Wismar und Stralsund bieten Studiengänge oder Module im Bereich Erneuerbare Energien an, zum Beispiel im Maschinenbau oder in der Elektrotechnik.

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