Leben

Traditionell und gerade deshalb innovativ: Backhandwerk in Mecklenburg-Vorpommern.

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Autorin: Andreas Frost

Etwa 160 Betriebe haben sich in Mecklenburg-Vorpommern dem Bäckereihandwerk verschrieben. Martin Krämer in Stralsund und Elias Berner in Schwerin führen die Tradition ihrer Familien in der vierten Generation fort.

Der Sauerteig reift in den soliden rechteckigen Holzrahmen, bevor Martin Krämer sie in den heißen Ofen schiebt. Wenn er die Formen später herausholt, hat sich ein Seestern, ein Wappen oder ein Kreuz in der knusprigen Kruste der Roggenvollkornbrote abgedrückt. Der Stralsunder Bäcker nennt sie „Backsteinbrote“, denn sie ähneln den Steinen, aus denen die mächtigen Stralsunder Kirchen gebaut wurden. „Doppelt so lang wie breit: das Klosterformat“, erläutert der Bäcker, „mit dem Salz aus der Ostsee.“ Mit dem Brot vermittelt Krämer seinen Kundinnen und Kunden einen Hauch von Heimat. „Sie sagen: Das schmeckt wie früher“, erzählt Krämer. Über seinen Online-Shop verschickt er die Backsteinbrote und seine süßen Bernsteinbeißer aber auch an Touristen, die während ihres Ostseeurlaubs auf den Geschmack gekommen sind.

Wir nennen sie „Backsteinbrote“, denn sie ähneln den Steinen, aus denen die mächtigen Stralsunder Kirchen gebaut wurden.

Martin Krämer

Arbeit mit der Hand

Jedes der Brote kommt aus dem heißen Ofen und somit frisch auf den Tisch.

Authentisch wie früher. Sauerteig in rechteckigen Holzrahmen gebacken.

Dekorativ und lecker – Backsteinbrote aus Roggenvollkorn mit knuspriger Kruste.

Martin Krämer ist Bäcker in vierter Generation. Drei Filialen betreibt er in der Hansestadt, ist mit seinem Verkaufswagen auf den Wochenmärkten und im Umland präsent. „Wir scheren uns nicht um die anderen Bäcker“, sagt er über die Konkurrenz der Bäckerei-Ketten und der Supermarkt-Filialen. Die Eier holt er von der Insel Rügen, auch Mehl und Hefe stammen aus der Region. Krämer verarbeitet Milch statt Milchpulver, verzichtet auf Konservierungsmittel und Stabilisatoren. Von großen Maschinen hat er sich verabschiedet: „Wir arbeiten wieder weitgehend per Hand, wie bei meiner Oma.“ Natürlich bringt auch bei ihm eine ehrwürdige Teigteil- und Rundwirkmaschine die Brötchen in Form. Etwa 6.000 Stück backt Krämer jeden Sonnabend. Mal sind sie dunkler, mal heller als am Tag zuvor. „Wir haben schwankende Getreide- und Mehlqualitäten, darauf stellen wir uns täglich ein“, erläutert der Bäcker.

Wir arbeiten weitgehend mit der Hand, wie bei meiner Oma.

Martin Krämer

Täglich einen Pfannkuchen

Was bei Krämer gebacken wird, kommt frisch aus der Backstube ins Geschäft, nichts wird zwischendurch tiefgefroren und wieder aufgebacken. Die Energieeinsparung sei enorm. Längst hat er von Gas auf Öl und Photovoltaik umgerüstet.

„Bekannt sind wir auch für unseren Streuselkuchen“, sagt Martin Krämer, das sei ein „ganz einfacher Hefekuchen“. Sein Favorit ist jedoch der Pfannkuchen, „den kann ich jeden Tag essen“. Das klappt aber nicht immer, denn häufig sind sie ausverkauft.

Battle in der Backstube

Elias Berner hat sich nach dem Schulabschluss erst in anderen Branchen ausprobiert. „Aber dann hat es irgendwann gezündet“, erzählt er. Nun steht er fast jeden Morgen in Schwerin bei seinem Vater Michael in der Backstube, wo schon sein Großvater und sein Urgroßvater Teig geknetet und Brote aus dem Ofen geholt haben. „Manchmal battlen wir uns, wer die beste Deko ins Roggenbrot ritzt“, berichtet der 18-jährige Lehrling. Vater und Sohn lassen sich immer wieder neue Leckereien einfallen, zum Beispiel zweifarbige Croissants gefüllt mit Schokolade oder Frischkäse. An manchen Tagen liegt frisches Paprika- oder Sauerkrautbrot im Regal. Auch frische Kapuzinerkresse haben sie schon ins Buttermilchbrot gemischt. „Das alles gibt es nicht jeden Tag, damit überraschen wir unsere Kunden“, sagt Michael Berner.

Vater Michael und Sohn Elias präsentieren frisches Backhandwerk.

Bäckerhandwerk will gelernt sein. Elias Berner mit dem duftenden Ergebnis.

Ideen in Dänemark geholt

1990 hat Michael Berner die Familienbäckerei übernommen. Mit dem Backen war er von klein auf vertraut, das Kaufmännische musste er in den „wilden“ Zeiten der der 1990er-Jahre lernen. Inzwischen betreibt er ein zweites Geschäft, hat zehn Mitarbeiter. Nun gibt er sein Können an Sohn Elias weiter. Das holt sich der Junior auch im Ausland. Die Ideen mit den geschmackvollen gerösteten Kürbiskernen im Brot hat er sich während eines Praktikums in Dänemark abgeschaut. Auch seine Zimtschnecken können ihre nordische Note nicht verleugnen. Mit den Händen arbeiten, kreativ sein – das gefällt dem Lehrling an seinem Beruf. „Jeden Tag sehe ich, was ich geschafft habe, und höre von Kunden, die das schätzen.“

Keine Rosinen im Kopf

Die Bäcker sorgen sich um den Berufsnachwuchs, auch die Berners. Dabei arbeiten sie schon an Teigen, die nicht gar so früh in den Ofen müssen, damit die Brote morgens um sieben Uhr frisch im Laden liegen. Längst müssen Bäcker auch nicht mehr so schwer schleppen. Michael Berner kennt noch die 70-Kilogramm-Mehlsäcke, Elias muss „nur“ noch 25 Kilogramm schultern. Elias kümmert sich auf seine Weise um die Zukunft seiner Zunft. Er hat er eine kleine Backschule ge- startet, backt mit Grundschulkindern Brötchen und Kekse: „Vielleicht wollen ja einige Mädchen und Jungen später selbst Bäcker werden.“ Immerhin könne man davon ganz gut leben, „wenn man keine großen Rosinen im Kopf hat“. Wobei die Rosinen sowieso in die Schnecken gehören.

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